Meine Baltikumreise endete dort, wo sie begonnen hatte: in Riga. Ich hätte es bevorzugt, wenn ich nicht nach Riga hätte zurückkehren müssen, aber leider fliegt die Fluggesellschaft nur Riga direkt an.
Mein erster Eindruck von Riga war alles andere als positiv, allerdings kann man sich nach einem Tag nicht wirklich ein abschliessendes Urteil bilden. Ich habe von einem Travelvlogger erfahren, dass Riga für Bachelor/Bachelorette- Partys sehr beliebt sei.
Ich hatte vor der Heimreise 3 1/2 Tage zur Verfügung, um Riga etwas besser zu erkunden. Die Altstadt liess ich mehrheitlich aus, da mir dort eindeutig zu viel Tourirummel war, obwohl sich die Besuchenden viel besser verteilen als in Tallin. Dies ist aber auch nicht weiter erstaunlich, denn Riga ist um einiges grösser. Nach drei weiteren Tagen in Riga kann ich festhalten, dass die Stadt ihren Uebernamen „Paris des Nordens“ zu Recht trägt. Riga ist sehr weitläufig, mit eleganten Häuserzeilen und vor allem: sehr grün. Die Düna fliesst durch Riga, ob sie bebadbar ist, weiss ich nicht, es werden aber Bootsfahrten angeboten.
Zudem liegt fast mitten in der Stadt eine grosse Parkanlage und auch sonst hat Riga sehr viele Grünflachen. Und für ein säkulares Land hat die Stadt auch sehr viele Kirchen aufzuweisen. Den Dom habe ich nicht gesehen, aber ich war in der Russisch-Orthodoxen Kirche, die man von weitem sieht. Die Altstadt ist leider ziemlich touristisch und auch sehr teuer – die Preise in den Restaurants sind teilweise auf westeuropäischem Niveau. Aber wie auch in Tallin gibt es in Riga viel mehr als nur die Altstadt zu sehen. Ein Tip sind die vielen Dachterrassenrestaurants, von denen man eine tolle Aussicht auf die Stadt geniesst.
Ethnographisches Museum in Riga
Am ersten Tag habe ich mir den Besuch des Lettischen Ethnographischen Freilichtmuseums (kurz das lettische Ballenberg) vorgenommen. Dieses Freilichtmuseum ist sehr gut mit dem OeV erreichbar. Leider führte mich Google Maps etwas in die Irre, so dass ich anstelle vor dem Eingang, vor einem verschlossenen Tor stand. Und was macht man in so einer Situation? Richtig: Man klettert drüber. Ich muss sagen, dass die Zeiten, in denen ich über alles Mögliche kletterte, eigentlich vorbei sind, aber zu meinem grossen Erstaunen schaffte ich es doch über den Zaun. Und so stand ich schon mittendrin im Park. Brav wie ich bin, habe ich beim offiziellen Parkeingang das Ticket bezahlt. Von dort liess ich mich durch den Park treiben, der sehr idyllisch in einem Wald am Jugla-See liegt. Der Park ist riesig, ich lief ca 4 Stunden herum und kam an immer neue Gebäude. Auch hier stammen die Gebäude aus ganz Lettland, aber es waren vorwiegend landwirtschafrliche Gebäude wie Scheune. Stall sowie – für ein Land, das Meerzugang hat, selbstverständlich, Gebäude für die Aufbewahrung von Meeresgetier. Wohngebäude habe ich nur wenige gesehen, aber wie schon erwähnt, das Gelände ist riesig. Interessant waren die Badstuben in den Häusern. Ich fand es auch ziemlich spannend, dass überall sogenannte „Bildstocke“ herumstanden. Für alle Nicht-Katholiken: das sind kleine Mauerwerke, in denen Maria-/Jesus-/Heiligenstatuen ausgestellt sind und die kleine Stationen zum Beten sind. In katholischen Gegenden trifft man diese auf dem Land praktisch auf Schritt und Tritt an. In Lettland sind sie im ethnographischen Museum als Sinnbild eines aussterbenden Brauchs ausgestellt (Lettland versteht sich als säkulares Land).
Für mich war das etwas seltsam – etwas, mit dem man aufgewachsen ist und heute im Wallis immer noch normal ist, wird plötzlich im Museum präsentiert.
Im Park habe ich auch eine baltische Spezialität gegessen: geröstetes Roggenbrot (!) mit Knoblauchsaauce.
Irgendwann fand ich, dass ich eigentlich genug gesehen hatte und schaute auf Google-Maps nach dem Ausgang. Da traf mich fast der Schlag: gemäss Google Maps war der Park geschlossen…….Ich machte mich auf die Suche nach einem Zaun, über den ich drüberklettern konnte. Gottseidank blieb mir das erspart, da ich einem joggenden Angestellten in die Arme lief, der mich durch ein Tor hinausliess.
Der Nationalpark ist sehr idyliisch am Rande eines See gelegen.
In den nächsten zwei Tagen musste ich mich erholen, denn zwei Wochen nonstop herumlaufen zollten ihren Tribut. Ich habe mir nur noch einige wenige Sehenswürdigkeiten angeschaut (wie immer in den Ferien hatte ich keine To-See-Liste zum Abhaken). Sehr empfehlenswert sind die Nationalbibliothek, die scbon mit ihrer Architektur Aufsehen erregt. Man kann am Empfang einen Besucherausweis verlangen und dann mit dem Lift in den 11. Stock fahren. Von dort hat man eine phänomenale Aussicht auf Riga. Die Fotos, die ich dort gemacht habe, musste ich aber alle löschen: Die Fenster sind mit einer Folie mit schwarzen Punkten überklebt…
Zuguterletzt besuchte ich das „Museum of the Occupation of Latvia“. Die Ausstellung ist super gemacht, aber ich musste den Besuch abbrechen, mir hat es fast die Luft genommen, wenn ich an die Grausamkeiten denken musste, denen die Bevölkerung ausgesetzt war. Und – ich habe es nicht geglaubt – für einmal hatte die Schweiz Mut gezeigt: Sie war eines der wenigen Länder, das die Annektion und Besetztung der baltischen Staaten Russland nicht anerkennt hatte. Uff, dass ich das noch erlebe! Gut, dass man sich mal nicht schämen muss.
Alles in allem waren es 3 tolle Wochen in Lettland und Estland. Man kann sehr gut mit dem OeV unterwegs sein, man muss sich halt anpassen – es fährt nicht alle 30 Minuten ein Zug, sondern, wenn man Glück hat, hat es 3 x am Tag eine Zugeverbindung. Die Leute waren überall sehr freundlich und hilfsbereit und man hat sich sehr gut auf Touristen eingestellt. Man erhält überall eine englischsprachige Speisekarte, die meisten jungen Leute sprechen fast perfekt englisch. Die Landschaft ist phänomenal – Wälder und Felder wohin das Auge blickt.
Ich habe auch sehr viel über die Geschicht des Baltikums gelernt. Das einzige, das ich wusste war, dass die baltischen Länder anfangs der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts von Russland unabhängig wurden. Dass das Baltikum aber lange unter der Herrschaft verschiedener deutscher Orden war, sich irgendwann die Unabhängigkeit erkämpfte. un dann Jahrzeihente später wieder in deutsche oder russische Abhängigkeit zu geraten, war mir völlig unbekannt.
Eines ist jedenfalls sicher: Das war sicher nicht mein letztes Mal im Baltikum, vor allem, weil ich Litauen ausgelassen habe.