Der hohe Norden

hat gerufen und ich bin dem Ruf gefolgt. Ursprünglich wollte ich das Baltikum bereisen, aber angesichts der Lage an den Grenzen der baltischen Staaten sah ich vorerst von diesem Plan ab.

Um der Hitze zu entfliehen, entschied ich mich für eine Reise in den Norden, diese Reise führte mich bis an die deutsch-dänische Grenze. Wagemutig wie ich bin, legte ich diese Strecke durch Deutschland mit der Bahn zurück. Hint: Ich kam am gleichen Tag an!

Fast 2 Wochen wollte ich in Flensburg verbringen, dieser wunderschönen Hafenstadt im hohen Norden. Mir war klar, dass es wahrscheinlich nicht Badeferien werden würden, aber ich packte trotzdem meine Strandsachen ein, man weiss ja nie. Es wurde mir aber geraten, nicht nur Winterkleider mitzunehmen!

Um es vorwegzunehmen: die Strandsachen musste ich nicht auspacken, die Temperatur stieg nie über 20 Grad. Ich hätte mir aber gewünscht, dass ich meine Gummistiefel mitgenommen hätte. Denn es regnete ziemlich oft, das heisst, das Wetter im Norden wurde seinem Ruf mehr als gerecht, aber ich habe mich bewusst dafür entschieden.

Ich beschränkte mich deshalb gezwungenermassen auf Sightseeing und Rumgammeln. Es gibt in Schleswig-Holstein einige berühmte Schlösser, was mein Herz höher schlagen liess. Zudem wollte ich auch nach Husum, um das Theodor-Storm-Museum zu besichtigen. Ich hätte auch gerne das Emil-Nolde-Museum gesehen sowie das Wattenmeer. Aber der Zustand des öffentlichen Verkehrs ist in Deutschland vor allem auf dem Land ziemlich schitter. Es gibt nur einmal pro Stunde einen Zug nach Hamburg bzw Kiel und nach Husum musste ich für die Hinfahrt den Bus nehmen. Für diese Ausflüge löste ich jeweils das Schleswig-Holstein-Ticket, eine Tageskarte, die zwar für alle Regionalzüge in SHW gilt, aber nicht in den städtischen Bussen in Flensburg! Das Deutschlandticket war keine Alternative, denn aus irgendeinem Grund muss man es als ein Abonnement lösen, zudem bestand die DB auf Zahlung per Lastschrift, zwei Punkte, die mich abschreckten, so dass ich auf das Deutschland-Ticket verzichtete.

Fangen wir mit der grössten Enttäuschung an: Husum. Wie gesagt, fuhr ich dahin, um mir das Theodor-Storm-Museum anzuschauen. Das Museum entpuppte sich als sein Wohnhaus, in dem er mit seiner Familie lebte. Was für ein Kontrast zur Wohnung von Albert Einstein in der Berner Altstadt. Das Haus von Theodor Storm strahlt grossbürgerliche Behaglichkeit aus und ist sehr geräumig. Gut, der Brotberuf von Theodor Storm war nicht die Schriftstellerei, sondern seine Tätigkeit als Jurist. Die Wohnung von Albert Einstein hingegen ist winzig, mit sehr niederen (altstadttypischen) Decken.

Theodor Storm

Das Theodor-Storm-Haus ist neben dem Schifffahrtsmuseum und einem kleinen Schlösschen die einzige Sehenswürdigkeit. Da ich eine ausgesprochene Landratte bin, beschloss ich, mir mal etwas anzuschauen, was ich mir sonst nicht anschaue, Schiffe.

Das einzig interessante Ausstellungsstück sind die Ueberreste eines gestrandeten Schiffes, das man vor fast 30 Jahren aus dem Watt geborgen hatte.

Schiffswrack

Ansonsten ist das Museum leider sehr verstaubt und chaotisch. Auf meinem Rundgang traf mich fast der Schlag: Es ist tatsächlich die Swastika, das Symbol der Nazis ausgestellt, wohl unter dem Deckmantel der historischen Korrektheit (etwas, das mich schon im Zeppelinmuseum in Friedrichshafen geschockt hat). Aus welchem Grund es man für nötig hält, ein Modell der Staatsjacht des Führers auszustellen, ist mir wirklich nicht klar. Es ist nicht so, dass diese Jacht etwas Spezielles darstellt. Ich verliess das Museum nach dieser Entdeckung umgehend.

Husum

Ich verliess Husum ziemlich enttäuscht – es ist ein netter Ort, wer sich aber nicht speziell für Theodor Storm interessiert, kann sich den Besuch sparen.

Die grosse Entdeckung waren die Schlösser, die ich besucht habe. Schleswig-Holstein ist vollgepackt mit historisch sehr bedeutsamen Schlössern – zu erwähnen sind hier das Schloss Glücksburg, das Schloss Gottorf und das Schloss Eutin. Das Schloss Plön war leider geschlossen.

Begonnen habe ich meine Besichtigungstour mit Schloss Gottorf im Oertchen Schleswig. Die Fassade ist sehr imposant, wie es sich für das Stammschloss eines der bedeutendsten Adelsgeschlechter Schleswig-Holsteins – den Fürsten von Schleswig-Holstein-Gottorf – wohl gehört. Aus diesem Adelsgeschlecht gingen vier dänische Könige und – das wissen wohl die wenigsten – mehrere russische Zaren – hervor (ich werde noch darauf zurückkommen). Das Schloss ist auch einer der bedeutendsten Profanbauten in Schleswig-Holsteine (Quelle Wikipedia).

Die Schlosskapelle

Das Schloss liegt auf einer kleinen Insel, das Cafe ist sehr zu empfehlen, der Kuchen war lecker

Der Barockgarten mit dem Globus ist ein Spaziergang wert. Er erfuhr mehrere Veränderungen und Umgestaltungen, die letzte Umgestaltung erfolgte nach dem Vorbild der Anlagen von Versailles.

Das Schloss dient heute als Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum. Ich muss sagen, dass ich vom Inneren etwas enttäuscht war, irgendwie habe ich mir das Ganze prunkvoller vorgestellt. Die Schlosskapelle ist allerdings wunderschön, hier finden regelmässig Hochzeiten statt.

Meine zweite Besichtigung galt dem Schloss Glücksburg im gleichnamigen Ort Glücksburg. Der Ort liegt vor den Toren Flensburgs und ist mit dem Bus erreichbar. Auch dieses Schloss ist Stammsitz eines sehr berühmten Adelsgeschlechts – dem Haus Schleswig-Sonderburg-Glücksburg. Die Abkömmlige dieses Adelsgeschlechts sitzen auf einigen europäischen Thronen – dem dänischen, dem norwegischen, dem englischen (!!!), dem spanischen und dem ehemaligen griechischen Thron und sind zudem mit den meisten Königshäusern verwandt. Dieses Schloss entsprach schon mehr meinen Vorstellungen eines „richtigen“ Schlosses: grosse Säle, hohe Decken, prunkvolle Ausstattungen. Es gab auch eine prunkvoll gedeckte Tafel zu sehen. Zudem hatte man auch die Gelegenheit, die Gemächer der Dienstboten sowie den Wehrturm zu besichtigen.

Der zurzeit wohl bekannteste Vertreter derer von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (neben der dänischen Königin)

Als ich das Foto sah, musste ich zuerst die Jahreszahl nachschauen, ich war bis anhin der Meinung, dass wir den Feudalismus überwunden hätten.

Schloss Nummer drei war der Höhepunkt – Schloss Eutin in Eutin. Die Fassade ist ja eher mäh, es ist nicht unbedingt das, was ich mir unter einer prunkvollen Schlossfassade vorstelle. Das Aeussere erinnert eher an ein englisches Manor House.

Im Innern kam ich allerdings aus dem Staunen nicht mehr heraus – sehr viele prunlvolle Gemächer und Säle – Schloss Eutin ist ein Schloss, wie es sich kleine und grosse Mädchen vorstellen.

Eine gedeckte Kaffeetafel mit Sicht auf den See

Jedes der Adelsgeschlechte – die Schleswig-Holstein-Gottorf, die Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg sowie die Herzöge von Oldenburg – schrieb deutsche und auch europäische Geschichte.

Die Schleswig-Holstein-Gottorf (nach 1720 Holstein-Gottorf) mit dem Stammschloss Gottorf bzw das Herzogtum Schleswig-Holstein-Gottorf entwickelte sich auf politischem und kulturellem Gebiet zu einem Machtfaktor in Nordeuropa. Durch familiäre Verbindungen gelang die Annäherung des Herzogtums zu Russland. Herzog Karl Friedrich von Holstein- Gottorf und Anna Petrowna, Tochter Zar Peters des Grossen heirateten im Juni 1725 in St. Petersburg. Den einzigen Nachkommen dieser Verbindung. Karl Peter Ulrich von Holstein Gottorf, machte seine Tante zum Thronfolger und Grossfürsten von Russland. 1762 wurde er als Peter III Zar von Russland (Quelle Wikipedia).

Die Geschichte derer von Schlewig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg habe ich schon erwähnt. Prinz Christian von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksbur. wurde 1852 als Nachfolger des kinderlosen König Frederik VI von Dänemark. Prinz bzw König Christian von Dänemark (Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg) gilt als „Schwiegervater Europas“, da seine Kinder in viele europäische Königshäuser einheirateten.

Eutin war die Sommerresidenz der Herzöge von Oldenburg. In diesem Schloss begegnete die 10-jährige Prinzessin Sophie von Anhalt-Zerbst ihrem zukünftigen Gatten, Karl Peter Ulrich von Holstein-Gottorf, dem späteren russischen Zaren Peter III. Sophie von Anhalt-Zerbst ist besser unter einem anderen Namen bekannt: Katharina die Grosse, Zarin von Russland. Mit anderen Worten: die russischen Zaren sind seit der Heirat von Sophie und Karl Peter eigentlich Deutsche. Vor der Besichtigung dieser Schlösser kannte ich nur das Schloss Glücksburg vom Hörensagen. Es war mir nicht bewusst, dass im Hohen Norden derart bedeutsame Geschichte geschrieben wurde. Für mich als Geschichtsliebhaberin war dies fast wie ein Sechser im Lotto.

Nach der Besichtigung unternahm ich noch eine Rundfahrt auf dem Eutiner See – die Anlegestelle liegt einige wenige Minuten zu Fuss vom Schlosseingang entfernt. Diese Rundfahrt ist ganz nett und als Abwechslung sehr zu empfehlen.

Diese Skulptur ist der „Kleinen Meerjungfrau“ in Kopenhagen nachempfunden. Sie trägt den Titel „Die Schauende“. Sie steht im Eutiner See

Auch das Städtchen Eutin ist ganz hübsch, präsentierte sich allerdings bei meinem Besuch nicht von der besten Seite: Es regnete in Strömen, irgendwann war ich total durchnässt, die Schuhe quietschten bei jedem Schritt vor Nässe. Eigentlich wäre ich noch gerne nach Lübeck weitergefahren, aber nach der Konsultation des Fahrplans musste ich feststellen, dass nach 17.15 kein halbdirekter Zug mehr nach Flensburg fuhr.

Einen Tag widmete ich der Besichtigung von Flensburg, Es standen eine Rundfahrt in der Förde sowie der Museumsberg auf dem Programm. Das städtische Museum fand ich trotz allen Unkenrufen sehr interessant – vor allem die einzelnen Bauernstuben und der Blick über Flensburg ist fantastisch. Und dann galt es schon wieder Abschied zu nehmen. Ich habe meinen Ausflug in den hohen Norden nicht bereut. Er ist nämlich schon recht weit weg, aber es lohnt sich, sich die Zeit zu nehmen, um ihn mal zu entdecken. Vieles ist in Dänisch angeschrieben und man hört auch sehr viel dänisch, was angesichts der Geschichte sowie der geographischen Nähe zu Dänemark wenig erstaunt. Leider konnte ich nicht alles besichtigen, denn ohne Auto ist man ziemlich aufgeschmissen. Dies ist sehr sehr schade.

Auf meiner Heimreise legte ich einen sehr kurzen Zwischenstopp in Hamburg ein. Ich verbrachte etwas mehr als 24 Stunden in Hamburg. Die Zeit reichte, um endlich die Speicherstadt sowie die Elbphilharmonie zu besichtigen. Das Schönste an der Elbphilharmonie ist der Blick auf den Hafen – der Rest ist Schweigen.

Am letzten Tag hatte ich noch kurz Gelegenheit für etwas Shopping und das letzte Mahl genoss ich in meinem bevorzugten koreanischen Restaurant im Schanzenviertel.

Ein Geständnis zum Schluss: Ich hatte kein einziges Fischbrötchen…..man möge es mir verzeihen