Ripe Town (2023)

Genre: Historical, Mystery

Literatur: Under the prosperous city

Regie: Wang Zhen

Episoden: 12 (45 – 75 Min)

Cast:

Bai Yu Fan (Qu Sangeng)

Ning Li (Song Chen)

Xiang Han Zhi (Leng Gui’er)

Liu Yi Tong (Gao Shichong)

Zong Jun Tao (Magistrate Wei Zhixian))

Yu Yao (Lu Zhi)

Zhang Hao Wei (Feng Kezhui)

Wang Ce (Captain Leng)

Cao Zheng (Captain Yi)

DuDu (Xiao Bao Zhi)

Feng Xiao Li (Qu San Gengs Mutter)

Quelle: mydramalist.com

Handlung:

Wir sind im 37. Jahr der Wan Li Periode während der Ming Dynastie. Eines Morgens finden die zwei Polizisten Qu San Geng und Gao Shi Cong den Leichnam ihres Vorgesetzten, Captain Leng, als Vogelscheuche verkleidet in einem Weizenfeld. Die Obduktion ergibt, dass er erdrosselt worden ist. Captain Leng war bei seinen Untergebenen beliebt. Qu San Geng ist am Boden zerstört, denn Captain Lang war für ihn so etwas wie eine Vaterfigur. Er beginnt auf eigene Faust zu ermitteln, Nach und nach werden in der Provinz weitere Morde verübt – bei denen es aber scheinbar keine Zusammenhänge zu geben scheint. Die Opfer sind weder miteinander verwandt noch befreundet und es gibt auch keine Geschäftsbeziehungen, die sie miteinander in Verbindung hätten bringen können. Das einzig Auffällige ist, dass die Opfer in bizarren Posen aufgefunden werden und bei jedem der Opfer ein Zitat aus einem Werk von Konfuzius zu finden ist. Schnell setzt sich die Erkenntnis durch, dass es sich um einen einzigen Täter handeln muss, aber was das Motiv betrifft, tappen die Ermittler vorerst im Dunkeln. Irgendwann verdichten sich die Hinweise, dass die Morde mit einer verheerenden Feuersbrunst vor 20 Jahren zusammenhängen müssen. Bei diesem Feuer kamen – vermeintlich – sämtliche Mitglieder der Familie Lu ums Leben.

gesehen auf youtube mit englischen Untertiteln

Kritik:

Ripe Town wurde mir durch einen Algorhythmus in die youtube-Timeline gespült und da ich mich beim aktuellen Drama (The Mysterious Lotus Casebook) ziemlich langweilte, habe ich dieses Drama sozusagen dazwischengeschoben. Mit 12 Episoden ist es eher ein Amuse-bouche, aber es war eine willkommene Abwechslung. Nach 2 Episoden habe ich das Drama richtiggehend weggesuchtet – es war so spannend und vor allem so anders als alle anderen Dramen, die ich dieses Jahr geschaut habe, dass ich nicht mehr aufhören konnte zu schauen.

Das Drama hat nur 12 Episoden – dies hängt mit der Geschichte zusammen. Es gibt nur ein einziges Thema, nämlich die Aufklärung der geheimnisvollen Mordserie. Der Fokus auf einen einzigen Handlungsstrang ist richtiggehend wohltuend, denn meistens sind in einem chinesischen Drama derart viele Handlungsstränge verpackt, dass man leicht den Ueberblick verliert. Diese Gefahr besteht in Ripe Town nicht. Das Drama ist aber in keinster Art und Weise langweilig.

Das Drama spielt in einer kleinen chinesischen Provinzstadt, die Grenzen der Stadt werden kaum einmal überschritten. Der Held ist ein einfacher Polizist, der als Halbwaise aufgewachsen ist und in Captain Leng seinen (vermeintlichen) Wohltäter sieht. Das Leben in der Provinzstadt ist beschaulich und es geschieht kaum je etwas. Umso grösser ist die Aufregung, als ausgerechnet der Kommandant der Polizei (Captain Leng) tot aufgefunden wird. Es ist relativ schnell klar, dass der Captain nicht dort umgebracht worden ist, wo er aufgefunden worden ist. Warum aber wurde der Leichnam des Captains gut sichtbar als Vogelscheuche in einem Kornfeld aufgestellt? Der Täter will offenbar, dass der Mord publik wird – denn üblicherweise werden Morde eher vertuscht. Qu Sangeng beginnt auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen und stösst auf eine ausgedehnte Korruption – man könnte es fast als Zusammenarbeit bezeichnen – zwischen dem Polizevizekommandanten und der örtlichen Mafia. Diese Erkenntnis gibt ihm sozusagen ein Pfand in die Hand, denn als kleiner Polizist hat er selber kaum Einfluss.

Es beginnt ein Katz- und – Maus -Spiel mit dem Mörder. Denn jeder begangene Mord ist ein Puzzleteil mehr. Man gewinnt den Eindruck, als wolle der Mörder bewusst eine Fährte legen, die zu seiner Entdeckung führt, man könnte das Ganze fast als eine Art Schnitzeljagd bezeichnen.

Und jeder Mord führt uns bzw den Protagonisten immer tiefer in die Abgründe der ach so ehrenwerten städtischen Gesellschaft. Denn es handelt sich um durchwegs sogenannte ehrenwerte Mitglieder der Gesellschaft, die dem Serienmörder zum Opfer fallen. Im Laufe der Ermittlungen stellt sich aber heraus, dass jeder dieser geachteten Bürger ein dunkles Geheimnis hat, allen voran der von allen verehrte Richter, der trotz seiner Behinderung in ein derart hohes Amt gewählt worden ist. Er wurde vor einigen Dekaden Opfer einer Verschwörung und konnte sich nur dank des Verrats an seinem besten Freund retten. Der Kaiser berief ihn quasi als Wiedergutmachung zum Richter.

Der sadistische Nachfolger von Captain Leng wird Opfer seiner eigenen Machenschaften und zum einfachen Polizisten degradiert. Lange zeigen die Indizien in die Richtung eines reichen Grundbesitzers -aber eben, in diesem Drama ist nichts so, wie es zu sein scheint. Niemand ist nur gut oder einfach nur böse. Auch Qu Sangeng bedient sich unlauterer Methoden, um an sein Ziel zu gelangen und eine Zeitlang scheint es so, als ob auch er den Weg des Bösen gehen wolle.

Je länger die Ermittlungen dauern, umso klarer wird es, dass die Gründe für die Morde ihre Wurzeln in Ereignissen haben, die sich vor mehr als 20 Jahren zugetragen haben. Der Fokus des Dramas beginnt sich langsam zu verschieben – von den unmittelbaren Geschehnissen zu den Gründen, die zum verheerenden Brand geführt haben, dem sämtliche Mitglieder der Familie Lu zum Opfer gefallen sind (und der Vater von Qu Sangeng). Dies geschieht schleichend – zuerst gibt es einen Rückblende, dann zwei und plötzlich wird der Zuschauer ins Haus der Familie Lu versetzt.

Der Plot ist unheimlich dicht – die Ereignisse greifen fast nahtlos ineinander ein. Gegen Schluss gerät das Drama etwas aus dem Tritt, an dem Punkt, an dem es scheint, als ob Qu Sangeng die Seite wechseln wolle. Dies geschieht, als er realisiert, dass sein von ihm verehrter Captain Leng wohl schuld am Tod seines Vaters ist. Das geschah etwas sehr abrupt und ich hatte etwas Mühe, diesem erzählerischen Schwenker zu folgen. Und langsam aber sicher dämmert es einem, dass uns die Geschichte auf eine völlig falsche Fährte gelockt hat – wie gesagt – es ist nichts, wie es zu sein scheint.

Das Schauspielensemble besteht aus nahezu völlig unbekannten Darstellern. Diese machen ihren Job aber hervorragend. Hier ist allen voran Bai Yi Fan als Qu Sangeng zu erwähnen. Er hatte bis jetzt nur Rollen als Nebendarsteller, aber dies wird sich nach Ripe Town wohl ändern (ich würde es ihm sehr gönnen). Seine Präsenz ist umwerfend und er wirkt sehr authentisch. Ning Li verkörpert den verkrüppelten Richter, der noch immer mit seiner Vergangenheit hadert, mit Ueberzeugung. Aber die Entdeckung des Dramas ist wohl Yu Yao als jugendlicher Lu Zhi. Er ist schlicht umwerfend in seiner Abgeklärtheit, einer Abgeklärtheit, die man einem 16-jährigen nicht zutrauen würde. Auch der zweite jugendliche Schauspieler, Du Du als Xiao Bai Zhi ist überragend.

Ich bin erstaunt, dass es Ripe Town durch die chinesische Zensur geschafft hat. Denn das Drama zeichnet nicht ein sehr schmeichelhaftes Bild der chinesischen Gesellschaft.

Gedreht wurde Ripe Town übrigens nicht in Hengdian Studios (dem chinesischen Pendant zu Hollywood), sondern in einem einfachen, alten Dorf. Dadurch wird die spezielle Atmosphäre erzeugt, die dem Drama sein spezielles Kolorit gibt.

Ripe Town bekommt von mir das Prädikat „unbedingt sehenswert“. Das Drama reiht sich ein in eine lange Reihe von low-Budget-Produktionen, die dank ihrer Produktionsqualität, der Liebe zum Detail und vor allem einer glaubwürdigen Story ohne riesigen Werbeaufwand und astronomisches Budget Erfolg hatten.

Einmal mehr zeigt es sich, dass ein Drama weder ein Aufgebot an Stars, komplizierte Plots, aufwendige Produktion oder ein hohes Budget braucht, um erfolgreich zu sein. Im Gegenteil – es hat sich schon mehrmals gezeigt, dass Erfolg nicht planbar ist – zum Glück. Und einmal mehr – liebe Drehbuchschreiber:innen: It is the story, stupid!!!!

Trailer:

Copyright Corinne Mathieu 2023