Summer in the City 3

Kurz vor den Herbstferien nun endlich Teil 3 von meinem Summer in the City. Der letzte Teil meines Stadtsommers führte mich nach Berlin. Ueblicherweise verbringe ich mindestens jedes zweite Jahr ein paar Tage in dieser Stadt, aber pandemiebedingt wurden in den letzten zwei Jahren sämtliche Ferien- und Reisepläne über den Haufen geworfen. So kam es, dass ich vor vier Jahren das letzte Mal in Berlin war.

Meine Ferienwohnung war im Bezirk Neukölln, einem der Berliner „Problembezirke“. Mir war zwar etwas mulmig zumute, auf der anderen Seite mag ich Schicki-Micki Gegenden nicht wirklich. Der Prenzlauer Berg beispielsweise ist zwar einer DER In-Kieze in Berlin, aber eigentlich todlangweilig, da leider schon zu Tode gentrifiziert. Bis anhin war ich immer im gleichen Hotel in Mitte, aber da ich dieses Mal mehr als eine Woche blieb, war Hotel keine Option – nach 3 Tagen Hotel habe ich klaustrophobische Anfälle.

Die Wahl von Neukölln als Basis erwies sich als ein Glückstreffer: Die Hermannstrasse wird von unzähligen Bars, Restaurants und – vor allem – Döner-Buden gesäumt. Man kann sich praktisch zu jeder Tages- und Nachtzeit irgendwo verpflegen und zwar zu sehr sehr günstigen Preisen. Da ist Berlin-Mitte im Vergleich dazu schon fast teuer (für Berliner Verhältnisse). Ich hatte eigentlich keinen Plan, dh immer den gleichen – Sightseeing, Shopping und Kultur. Ich habe mir vorgenommen, mich vor allem im Berlin abseits der Touristentrampelpfade umzuschauen (denn die habe ich schon alle abgelaufen).

Die erste Entdeckung war ein Schloss/Gutsbetrieb am Rande von Neukölln – der Kontrast zur Hermannstrasse könnte nicht grösser sein: Hier das Schloss mit dem Gutsbetrieb in einem wunderschönen Park, dort die Hermannstrasse mit all den bunten Graffitis.

Gut Britz
Schloss Britz
Gartenrestaurant Schloss Britz

Selbstverständlich durfte ein Ausflug nach Potsdam nicht fehlern – die Stadt ist mir zwar zu aufgeräumt, da kann ich ebensogut in Bern bleiben, aber die Preussen haben hier ein paar sehr nette Schlösser hingestellt. Sanssouci kannte ich schon, dieses Mal gings zum Neuen Palais. Was klingt wie ein mittleres Herrenhaus ist ein ausgewachsenes Prachtsschloss, das mir fast besser gefällt als Sanssouci.

Neues Palais in Potsdam

Um meinen Horizont etwas zu erweitern fuhr ich mal aufs Land, dh nach Brandenburg. Aber du meine Güte – es gibt fast nichts Verschlafeners als diese kleine Stadt. Das Interessanteste waren die „Möppelchen“, nach Loriot, die im ganzen Ort verteilt waren. Ich wäre gescheiter nach Leipzig gefahren.

Möppelchen in Brandenburg

Ich lief zum ersten Mal über den Berliner Tempelhof – es gibt dort wirklich nichts ausser den ausrangierten Flugpisten. Plänen der Berliner Stadtregierung, auf einem Teil des ehemaligen Flughafens eine Wohnüberbauung zu erstellen, erteilte das Stimmvolk vor einigen Jahren eine Abfuhr.

Weiter gings an der Peripherie von Berlin – zur Gedenkstätte Plötzensee (auf der Suiche nach dieser Gedenkstätte sah ich wieder mal den Wald vor lauter Bäumen nicht).

Wer die Geschichte nicht kennt: In einem Aussengebäude der JVA (Justizvollzugsanstalt) Plötzensee wurden unter anderem die Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 (gescheitertes Attentat auf Hitler) hingerichtet. Was ich nicht wusste: Die JVA Plötzensee ist immer noch in „Betrieb“, da kennen die Deutschen keine Sentimentalitäten. Die Gedenkstätte befindet sich auf dem Areal der JVA, aber ausserhalb des eigentlichen Gefängnisses. Die zwei Gebäude sind völlig schmucklos, bar jeglicher Einrichtung, aber in ihrer Banalität beklemmend. Zu sehen sind immer noch die Eisenstange, an der die Gefangenen durch den Galgen hingerichtet wurden sowie die Stelle, an dem die Guillotine stand.

Ab und zu habe ich mich doch nach Berlin-Mitte verirrt und leider geht dieser Stadtteil den gleichen Weg wie bspw die Champs-Elysées in Paris, der Times Square in New York oder Trafalgar Square in London: Die Gegend verkommt zum Disneyland für Tourist:innen. Das Cefé am Landwehrkanal, in dem ich immer sehr gerne gefrühstückt habe, hat sich nun zu 100% auf Touristen eingestellt: Zum Frühstück gibts nur noch Pancakes und Bagels, zu völligen (für Berliner Verhältnisse) Phantasiepreisen. In einem anderen Café in Mitte gibts die Speisekarte auch in Englisch, man hat sogar mein ausgezeichnetes Deutsch gelobt. Ja, ist ja auch meine Muttersprache. Im vietnamesischen Restaurant hinter dem KaDeWe reden die Kellnerinnen ausschliesslich Englisch.

Zu meiner grossen Ueberraschung ist Berlin nicht mehr so verwahrlost, wie noch vor vier Jahren. Im 2018 glichen einige U-Bahn-Stationen eher Obdachlosenunterkünften. Ich wunderte mich, wie lange die Behörden dem Niedergang der Menschen wohl zuschauen würden. Gut, dass offenbar endlich hingeschaut und gehandelt wurde, dh man sich um die Menschen gekümmert hat.

Natürlich durfte der obligate Badeausflug an den Wannsee nicht fehlen, am zweiten Badetag musste ich mir ein anderes Strandbad suchen, da aufgrund eines Grossbrandes im Grunewald die S-Bahn-Strecke gesperrt war. Ich habe ein exrem herziges Strandbad am Rand von Köpenick entdeckt, das Seebad Wendenschloss an der Dahme. Es ist zwar jwd – janz weit draussen – aber der Weg lohnt sich.

Und auch in Berlin habe ich mich durch die Küchen der Welt gegessen: es gab marokkanisch, persisch, italienisch, vietnamesisch und einmal sogar Currywurst mit Pommes.

Bestes vietnamesisches Essen: Restaurant Pho Phan an der Hermannstrasse 151

Berlin ist immer wieder faszinierend und obwohl ich schon einige Male in dieser Stadt war, gibt es immer etwas Neues zu entdecken. Ich freue mich schon auf meinen nächsten Aufenthalt in Berlin!

Ein Wort noch zur – hust – Digitalisierung in Deutschland. Hamburg und Berlin kann man nun wirklich nicht als Provinzstädte bezeichnen, aber trotzdem konnte ich fast in der Hälfte der Betriebe und Restaurants ausschliesslich bar bezahlen. Beispielsweise akzeptierte man sowohl im Rathaus von Hamburg wie auch im Serviecenter der Deutschen Bahn im Hauptbahnhof Hamburg nur Bargeld. Eine Herausforderung für mich, da ich nur noch wenig Bargeld mit mir rumtrage. In Berlin akzeptierte etwa die Hälfte der Restaurants keine Kartenzahlung. Dies führte dazu, dass ich an einem Abend das Geld nachzählen musste, da ich nicht sicher war, ob es nach dem feinen marokkanischen Couscous noch für einen Pfefferminztee reichen würde. In Italien werden in der hinterletzten Bar im kleinsten Provinzkaff Kartenzahlungen akzeptiert. Irgendetwas läuft in Deutschland definitiv schief.