Die bürgerlichen Parteien wollen Ganztagesschulen (emou fascht)

Die Forderung von FDP und GLP nach einer umfassenden Tagesbetreuung – der Begriff Ganztagesschulen wird tunlichst vermieden – ist für mich eine sehr positive Ueberraschung. Ich freue mich über die Unterstützung seitens der bürgerlichen Parteien für eine uralte Forderung der SP. Das ist doch schon mal ein gutes Zeichen.

FDP und GLP fordern in ihrem gemeinsamen Papier eine „Strategie für ein umfassendes und grundsätzlich kostenpflichtiges Angebot an Tagesschulen (…) bis 2025 ein flächendeckendes und vernetztes Angebot zu haben.“ Ich weiss nicht, hinter welcher Säule sich die beiden Parteien bis jetzt versteckt haben, denn dieses flächendeckende Angebot besteht bereits und es ist sowohl freiwillig wie kostenpflichtig. Mit ihrer Forderung rennen FDP/GLP offene Türen ein.

Aus welchem Grund dieses Bildungspapier von der Presse als Angriff auf Rot-Grün gewertet wird, ist mir schleierhaft. Denn das was die beiden Parteien fordern, steht schon seit Jahren in den bildungspolitischen Papieren der SP und sind uralte Forderungen von uns.

Die Stadt startet im August ihr Pilotprojekt „Ganztagesschule“, ein Pilotprojekt, das ich vor einem Jahr als „Tagesschule reloaded“ bezeichnet habe. Ausser den ausgedehnten Oeffnungszeiten bleibt nämlich alles beim alten. Diese „Ganztagesschule“ ist, wie die bisherigen Tagesschulen auch, nämlich freiwillig und kostenpflichtig. Grundlage dieses Pilotprojekts ist ein Vorstoss der SP/JUSO-Fraktion aus dem Jahr 2006, eingereicht von mir.

Heute ist das Ziel der Tagesschule primär die Betreuung, teilweise ist auch die Aufgabenhilfe inbegriffen. Solange die Tagesschule aber sowohl freiwillig wie auch kostenpflichtig ist, wird dieses Angebot nicht alle Kinder erreichen. Ein Blick auf die sozio-ökonomische Herkunft der SchülerInnenpopulation zeigt dies klar auf. Die Tagesschule in ihrer heutigen Form ist ein Angebot für die Mittel- und Oberschicht, und sowohl die Forderung der FDP/GLP wie auch das Pilotprojekt „Ganztagesschule“ der Stadt zementieren diese Verhältnisse. Dies erstaunt mich vor allem von Seiten der rot-grünen Stadtregierung.

Eine Ganztagesschule wie sie mir vorschwebt, ist nicht primär eine Betreuungseinrichtung. Ganztagesschule heisst Schule neu denken, denn diese bietet mehr als nur erweiterte Oeffnungszeiten, sie begünstigt eine neue Lehr- und Lernkultur – die Schule als Lern- und Lebensort für ALLE, nicht für einige wenige privilegierte Kinder. Aus diesem Grund das Obligatorium – die Schule kann kein Lern- und Lebensort sein, wenn nicht alle Kinder mitmachen (können). Zudem leistet die Ganztagesschule einen wichtigen Beitrag zur Chancengleichheit. Und sehr wichtig: Die Ganztagesschule soll gratis sein, damit sich alle beteiligen können. Dies kann man von den heutigen Tagesschulen, so wichtig sie auch sind, nicht behaupten, im Gegenteil.

Um dem Ganzen etwas die Spitze zu nehmen, könnte man es sich von Seiten der Stadt überlegen, pro Schulkreis ein oder zwei solche Ganztagesschulen einzurichten. Die Eltern könnten ihre Kinder freiwillig dort anmelden, aber mit der Verpflichtung, dann wirklich auch für mindestens ein Schuljahr mitzumachen. Dies würde natürlich das Prinzip der Quartierschule aufweichen.

Die pädagogischen und didaktischen Reformen die angesprochen werden, sind zum grössten Teil schon umgesetzt worden. Ganz besonders freut es mich, dass die beiden Parteien die Basisstufe ausbauen wollen. Mein Vorstoss für eine flächendeckende Einführung der Basisstufe in der Stadt (mindestens eine pro Schulkreis), wurde sowohl von der FDP wie auch der GLP im Stadtrat abgelehnt. Begründung: Dies sei zu dirigistisch (oder so). Aber es ist bekanntlich nicht verboten, gescheiter zu werden. Ueberrascht bin ich bei der Forderung, bei der Basisstufe auf Noten zu verzichten. …..eine tolle und bahnbrechende Idee, bis mir einfällt: Es gab nie Noten in der Basisstufe. Aus welchem Grund FDP/GLP die Abschaffung dieser Noten fordern ist mir schleierhaft.

Fazit: Es ist positiv zu werten, dass FDP und GLP – in ihren Augen – fortschrittliche bildungspolitische Forderungen stellen – die von der SP schon seit Jahren gestellt werden. Allerdings: Die meisten Anliegen wurden schon längstens umgesetzt oder sind in der Umsetzung. Man würde sich wünschen, dass die beiden Parteien sich in Zukunft etwas intensiver mit der Bildungsstrategie der Stadt befassen – dort kann man dies alles nachlesen. Mit anderen Worten: Much ado about nothing.

Eine Frage habe ich aber an die VerfasserInnen dieses Papers: Wurde dieses von jemandem gegengelesen? Ich habe siebzehn (17!!) Rechtschreib-, Komma- und Orthographiefehler gezählt, zudem wurde mindestens ein Satz nicht beendet. Und dies in einem Paper zur Bildungspolitik. Ich denke, da muss jemand noch ganz fest üben!